Digitales Klassenzimmer – was wir von Estland lernen können

Flächendeckender Digitalunterricht konnte sich in Deutschland bisher nur schleppend etablieren: Je nachdem, welche Lernplattform und Lern-Apps genutzt wurden, konnte der Präsenzunterricht in unterrichtsähnliche Videokonferenzen verlagert und digitale Lehrmittel eingesetzt werden – mehr oder weniger erfolgreich.

Hier zeigt sich jedoch: Wer digitale Infrastrukturen nicht zu Ende denkt, sorgt für andere Probleme. Neben Kindern, die in der Homeschooling-Zeit aus der Ferne den Anschluss verlieren, fühlten sich viele überfordert und brachten kaum Eigenmotivation mehr fürs Lernen auf.

Vorbild Estland

Wie Digitalisierung von Schulen funktioniert, zeigt das Paradebeispiel Estland. Das kleine baltische Land startete bereits im Jahr 1997 ein Programm, um die IT-Infrastruktur des Landes auszubauen. Der freie Internetzugang ist bereits seit dem Jahr 2000 ein Grundrecht für alle Familien.

In den estnischen Schulen wird seit etwa 20 Jahren das Verwaltungssystem “eKool” für die Digitalisierung von Stundenplänen, Klassenbuch, Lernmaterialien und Noten- und Leistungsübersichten genutzt. Außerdem sind digitale Endgeräte als Lernmittel fest in den Unterricht integriert und schon ab dem Kindergarten werden Kompetenzen wie Programmieren und Robotik vermittelt.

Kurzum: Ein Erfolgsmodell, das auch den Distanzunterricht während der Pandemie deutlich erleichtert hat.

Doch wie lässt sich ein solches Modell auf Deutschland übertragen? Klare Antwort: Um digitale Bildung auch hierzulande zu etablieren, braucht es einige Voraussetzungen im technischen, organisatorischen, pädagogischen und didaktischen Bereich.

Technische Infrastruktur als Grundvoraussetzung

Eine der Säulen für ein erfolgreiches Digitalisierungskonzept ist zweifelsohne eine leistungsfähige technische Infrastruktur: stabiles WLAN, eine zuverlässige Verwaltungs- und Lernplattform sowie eine ausreichende Anzahl an Endgeräten in Klassenräumen und daheim.

Auch in Deutschland gibt es je nach Schule vereinzelt eine digitale Basis-Ausstattung, z.B. mit Beamern, Smartboards sowie mit Tablets ausgestattete Klassen an weiterführenden Schulen. Von einer flächendeckenden technischen Infrastruktur für eine funktionierende digitale Schule kann allerdings nicht die Rede sein.

Pionier Estland setzt hier Maßstäbe: von der 4G-Internetabdeckung in 98 % des Landes, über die Ausstattung von Klassen mit jeweils zwei Sätzen Tablets und Laptops für Schule und zu Hause, bis hin zur selbstverständlichen Integration der privaten Smartphones in den Unterricht.

Das aktuelle PISA-Ranking unterstreicht Estlands Vorreiter-Status: Platz 1 in der internationalen Bildungsstudie in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften.

Digitalunterricht braucht Organisation und Struktur

Für eine erfolgreiche Digitalisierung der Schule müssen neben der technischen Ausstattung entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies beinhaltet nicht nur die Sicherstellung eines umfassenden Datenschutzes, sondern auch die Digitalisierung des gesamten Schulalltags.

In Estland gibt die Online-Plattform „eKool“ die Strukturen für das digitale Klassenzimmer vor: Hier können Lehrer etwa die im Unterricht behandelten Inhalte und Hausaufgaben einstellen, Noten und Fehlzeiten eintragen und mit Eltern kommunizieren.

Zu einem funktionierenden Digitalisierungskonzept gehört außerdem die Weiterbildung der Lehrkräfte, sodass diese die digitalen Angebote auch sinnvoll in den Lehrplan integrieren können – nur so funktioniert Unterricht 4.0.

Pädagogik goes digital: Was digitale Lehre sonst noch braucht

Auch in der Pädagogik sind auf dem Weg zur Schule der Zukunft innovative Änderungen gefragt. Was bisher ausschließlich analog mit Tafel und Büchern vermittelt wurde, muss in den digitalen Raum verlagert werden.

Vernetzter Unterricht mit Apps, Grafiken, Videos und QR-Codes macht das Lernen spielerischer und interaktiver. Zusätzlich werden Kompetenzen wie Erinnerungsvermögen, Präsentationstechniken oder Bildbearbeitung gefördert – wichtige Bausteine für den digitalen Lernerfolg.

Das Beispiel Estland zeigt: Auch das häufig notwendige Differenzieren nach Leistungsniveau der Schüler wird durch die Nutzung einer Online-Plattform erleichtert, da bereits verschiedene Lehrmaterialien zu allen Themen auf einen Klick verfügbar sind. So können Kinder problemlos in ihrer eigenen Geschwindigkeit lernen, Stärken und Schwächen können individueller angegangen werden.

Seit 2020 sind zudem in Estland alle Schulbücher digital über das kostenlose Portal “Opiq” abrufbar. Trotzdem bleiben auch Hefte und Stifte weiterhin Teil des Unterrichts.

Didaktik: Neue Kompetenzen braucht das Land

Was die Didaktik angeht, gilt es, sich im Zuge der Digitalisierung auf die Vermittlung neuer Kompetenzen einzustellen, insbesondere Medien- und Methodenkompetenzen sowie Sozialkompetenzen für die digitale Schule.

An estnischen Schulen gibt es für diesen Zweck eigene Bildungstechnologen, die den Lehrern selbst mediale Skills vermitteln und dabei helfen, digitale Hilfsmittel in den Unterricht zu integrieren.

  • Ein vielversprechendes Modell hierfür ist der “Flipped” oder “Inverted Classroom”: Hier eignen sich die Schüler Wissen mit Hilfe von digitalen Lerninhalten zu Hause an und vertiefen sie in der Schule – “Schule verkehrt herum”, sozusagen.
  • Ein weiteres, erfolgreiches Praxisbeispiel aus dem nordischen Baltikum: Jeder Schüler verfügt über eine digitale Identität, die Educational ID, und kommt bereits ab dem Kindergarten regelmäßig mit technischen Geräten wie Lern-Robotern (z. B. Bee-Bots) oder Computern in Berührung.

Medienkompetenz fördern in der Berlitz Digital School

Digitale Kompetenzen und mediales Verständnis bei Kindern und Jugendlichen sind eine Voraussetzung für den Erfolg der digitalen Schule.

Die vielfältigen Kurse und Workshops der Berlitz Digital School fördern gezielt die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen und vermitteln Skills für die Digitalisierung im Bildungssektor.

Schule der Zukunft als Hybridmodell?

Spätestens Lockdown und Homeschooling haben zwei Dinge klar gezeigt: Es ist höchste Zeit, dass an deutschen Schulen ein nachhaltiges Digitalisierungskonzept realisiert wird und Schüler und Lehrer mit der notwendigen Infrastruktur und den erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden.

Kein Ersatz:

Andererseits kann das digitale Klassenzimmer den Begegnungsort Schule nicht ersetzen, da sich das Erlernen von Sozialkompetenz nicht vollständig in den digitalen Raum verlagern lässt.

Soziale Kontakte und der direkte Austausch vor Ort sind für Kinder eine wichtige emotionale Komponente, die sich auch positiv auf die persönlichen Lernerfolge auswirken kann.

Hybridmodell als Alternative:

Die Lösung könnte ein Hybridmodell aus Präsenz- und Digitalangeboten sein. Dieses Modell bietet vielfältige Möglichkeiten, um Schüler individueller und kompetenzorientierter zu fördern, z.B., indem ein Teil der Klasse in der Schule anwesend und der andere Teil digital zugeschaltet ist.

So lassen sich Lerngruppen bilden und verschiedene Aufgaben wie Recherche oder die Erstellung von Lernvideos für die Klassengemeinschaft sinnvoll verteilen.

Auch die Förderung besonders leistungsschwacher oder -starker Schüler durch digitale Integration in andere Klassen, die Vernetzung mit themenbezogenen Experten oder schulübergreifende digitale Projekte werden so vereinfacht.

Beitrag zum Digitalisierungskonzept

Berlitz unterstützt die Umsetzung eines zukunftsorientierten Digitalisierungskonzepts in deutschen Schulen durch gezielte, digitale Bildungsangebote.

Mit den Kursen und Workshops der Berlitz Digital School begleiten wir Kinder und Jugendliche auf dem Weg ins digitale Klassenzimmer.