Stereotyp, Vorurteil, Klischee – alles identisch?

Die Begriffe Stereotyp, Klischee und Vorurteil werden oft synonym verwendet. Allerdings bezeichnen sie jeweils nuancierte Denkmuster.

Stereotype

Stereotype sind Bilder, die wir von einzelnen Menschen oder Angehörigen einer bestimmten sozialen Gruppe haben. Personen oder Personengruppen werden auf einzelne Merkmale reduziert – gleichzeitig behalten wir dabei im Hinterkopf, dass Menschen selbstverständlich komplexer sind und unser vorgefertigtes Denken nicht alle Nuancen widerspiegelt.

Stereotype sind notwendig, unbewusst und laufen weitgehend automatisch ab. Sie dienen wie Schablonen dazu, die Komplexität der Realität zu reduzieren. So helfen sie, uns in der Welt und im Zusammenleben mit anderen zu orientieren.

„Männer interessieren sich nicht für Gesichtspflege“ ist beispielsweise ein bekanntes Stereotyp.

Eine Frau liegt auf einem Auto und schaut der im Meer untergehenden Sonne zu.

Vorurteile

Vorurteile, im Gegensatz zu Stereotypen, sind kein Produkt unseres Unterbewusstseins. Vielmehr werden sie, aller Gegenbeweise zum Trotz, willentlich vertreten. Vorurteile müssen nicht zu einem bestimmten Verhalten führen, aber es sind trotz allem unreflektierte und verfestigte Meinungen, die meistens negativ konnotiert sind.

„Frauen können nicht einparken“ ist ein Beispiel für ein typisches und weit verbreitetes Vorurteil.

Sonnenuntergang im Meer

Klischee

Die Grenzen zwischen Klischees und Stereotypen sind dagegen eher schwammig: Oft wird das Klischee als unreflektierter, veralteter Nachfolger vom Stereotyp beschrieben. Klischees entstehen, wenn sich Stereotype zu sehr verfestigen und nicht mehr hinterfragt werden. Während sich Stereotype ausschließlich auf Personen beziehen, können Klischees auch auf Stimmungen, Situationen oder Phänomene angewendet werden.

Das typische Bild vom Sonnenuntergang, das bei keinem Urlaubsschnappschuss fehlen darf und welches den Betrachter sofort in romantische Stimmung versetzen soll, ist ein extrem beliebtes Klischee.

Menschen neigen dazu, zwischen der eigenen sozialen Gruppe und „den Anderen“ zu unterscheiden. Dabei nehmen wir – in der Regel unbewusst – an, dass sich Personen, die eine auffällige Eigenschaft gemeinsam haben, auch in anderer Hinsicht ähnlich sind. Deshalb sind etwa Geschlechterstereotype weiter verbreitet als solche über den sozialen Status: Das Geschlecht ist ein offensichtlicheres Merkmal als der Kontostand. Wir übertragen dabei die Eigenschaft einer einzelnen Person auf eine ganze Gruppe und erhalten so eine falsche Verallgemeinerung.

Wenn sich zum Beispiel jemand namens Lorenzo Mazza in einem Unternehmen bewirbt, werden wohl die meisten Personaler spontan an einen italienischen Mann mit dunklen Haaren denken. Wir greifen dabei auf das Bild in unserem Unterbewusstsein zurück, welches Italiener als eine gebräunte und dunkelhaarige Personengruppe wiederspiegelt. Nicht wundern, wenn jedoch plötzlich ein blonder Mann mit blauen Augen zum Vorstellungsgespräch erscheint!

Stereotype am Arbeitsplatz: Gesellschaftliche Trends als Herausforderung für Unternehmen

Stereotype sind in der Berufswelt keine Seltenheit. Sie können sich beispielsweise auf Differenzen zwischen den Geschlechtern, den Generationen oder auf kulturelle Besonderheiten beziehen. Dies stellt Unternehmen vor wachsende Herausforderungen. Denn die Tatsache, dass zunehmend unterschiedliche Gruppen auf den Arbeitsmarkt strömen, spiegelt demographische Trends wider: höhere Geburtenraten in außereuropäischen Ländern, zunehmende Migration in Industriestaaten und eine wachsende Anzahl älterer Arbeitnehmer, aber auch die Zunahme berufstätiger Frauen sowie das Bestreben, Menschen mit Behinderung stärker in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren.

Viele Betriebe haben die Chancen dieser Entwicklung erkannt. Mit Diversity Management wollen sie Mitglieder der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen integrieren und binden. Gleichzeitig möchten sie das Potenzial, das in diesen Unterschieden steckt, für sich nutzen – beispielsweise in Form von Sprachkenntnissen und interkulturellen Kompetenzen ihrer Angestellten. Zudem lässt sich Diversity Management auch einsetzen, um sich gegenüber Kunden, potenziellen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit als offenes, modernes, internationales Unternehmen zu präsentieren.

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Warum Vielfalt im Unternehmen auch für Unruhe sorgen kann

Den Vorteilen solcher Vielfalt stehen jedoch auch Schwierigkeiten gegenüber. Denn Unterschiede bei der Herkunft sowie die Zugehörigkeit zu verschiedenen Geschlechtern, Generationen oder Kulturen bieten insbesondere in Gruppenprozessen ein hohes Konfliktpotential. Die Wandelung von Stereotypen über die jeweils „Anderen“ zu Vorurteilen kann den Geschäftserfolg ernsthaft beeinträchtigen. Existieren erst einmal Vorurteile, dann begünstigen sie schnell Misstrauen, verhindern Kooperation oder führen im schlimmsten Fall zu sozialer Diskriminierung. Allerdings kann die Skala auch in die andere Richtung kippen: Gerade bei Bewerbungsgesprächen oder Beförderungen ist es nicht unüblich, dass Kandidaten aufgrund von Voreingenommenheit trotz gleicher oder sogar schlechterer Leistungen und Fertigkeiten gegenüber den Mitbewerbern bevorzugt werden.

In der Realität bedeutet das konkret:

  • Ältere Mitarbeiter sehen sich mit vielen Vorurteilen konfrontiert: Sie widersetzten sich neuen Technologien, arbeiteten langsamer und weniger, seien häufiger krank und verursachten öfter Unfälle.
  • Modischen und gut gekleideten Personen werden Führungspositionen eher zugetraut als ihren unscheinbaren Konkurrenten: Sie gelten als seriöser, kultivierter und vertrauenswürdiger.
  • Homosexuelle Männer seien, dem Vorurteil nach, dagegen weniger geeignet, eine Führungsposition zu übernehmen als ihre heterosexuellen Kollegen, da sie nach mehr Bestätigung suchen und gefühlsbetonter handeln würden.
  • Darüber hinaus kamen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass attraktive Frauen bei Bewerbungen tendenziell benachteiligt werden. Als Ursache vermuten die Forscher weibliche Eifersucht – da in Personalabteilungen häufig mehr Frauen arbeiten als Männer.

Wie sich Vorurteile gezielt abbauen lassen

Bereits 1974 beschrieben die Sozialpsychologen Carl O. Word, Mark P. Zanna und Joel Cooper das Phänomen der Self-Fulfilling Prophecy, also der selbsterfüllenden Prophezeiung. Ihre Forschungsfrage lautete, warum Afro-Amerikaner in Bewerbungsgesprächen schlechtere Leistungen zeigten.

Sie fanden heraus, dass dies nicht an der schlechteren Qualifikation dieser Gruppe, sondern an den Personalern selbst lag: Diese verhielten sich aufgrund ihrer negativen Erwartungen gegenüber ablehnender und bevorzugten andere Interviewpartner – übrigens zeigten Sie dies auch in der nonverbalen Kommunikation an, also mit ihrer Sitzposition und Körpersprache. Durch ihre negative Gesprächsführung verunsicherten sie die Bewerber und sahen so ihre Vorurteile als bestätigt.

Dank gesellschaftlicher Normen und Werte werden Stereotype und Vorurteile heute nicht mehr so offen ausgesprochen wie noch vor einigen Jahrzehnten. Das hat allerdings keinen Einfluss auf ihre Existenz: Im Gegenteil, latente Verallgemeinerungen sind noch schwerer zu erkennen und zu bekämpfen.

Auch beschreiben sich die betroffenen Personen selbst als offen und vorurteilsfrei und erkennen ihr starres Denkmuster selbst nicht als Problem. Dennoch können Fach- und Führungskräfte einiges unternehmen, um solchen falschen Überzeugungen zu begegnen:

1. Stereotype reduzieren

Personalverantwortliche und Führungskräfte möchten Konflikte, die durch Stereotype entstehen, möglichst verhindern. Um dies zu erreichen, können sie versuchen, den Horizont ihrer Mitarbeiter zu erweitern und so Schubladendenken gar nicht erst aufkommen zu lassen – zum Beispiel, indem sie für regelmäßige Begegnung und Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen in ihrem Betrieb sorgen.

In der Theorie klingt dieser Ansatz vielversprechend, allerdings führt er laut der sozialpsychologischer Forschung nur selten zum Erfolg. Denn die Angehörigen der Minderheit müssen idealerweise einen höheren Status haben als die Mehrheit, um anerkannt zu werden. Dies dürfte in den betreffenden Unternehmen – eben angesichts bewusster oder unbewusster Diskriminierung – jedoch nur selten der Fall sein.

Außerdem verfestigen sich Stereotype tendenziell, weil sie bei dem, der sie hat, für ein positives Selbstwertgefühl sorgen. Beobachtungen und Erfahrungen werden deshalb als Bestätigung für die eigene Überzeugung gesehen während widersprüchliche Beweise gerne ausgeblendet werden. Unternehmensverantwortlichen steht zudem nur ein geringer Teil der Arbeitszeit und auch nur das berufliche Umfeld zur Verfügung, um gezielt an der Problematik zu arbeiten.

2. Begünstigende Faktoren mindern, abschwächende Faktoren stärken

Geeigneter scheint eine Strategie zu sein, die bei Einflussfaktoren von Stereotypen und Vorurteilen ansetzt und diese verstärkt bzw. abschwächt. Eine konkrete Maßnahme ist zum Beispiel die Etablierung von Unternehmensregeln, in denen präzise beschrieben wird, welche Verhaltensweisen von allen Mitarbeitern zu vermeiden sind. Sie erinnern Personen stets daran, dass diskriminierende Einstellungen nicht den Werten des Unternehmens entsprechen.

Bei Personalentscheidungen ist die Einführung klarer, transparenter und nachvollziehbarer Kriterien sinnvoll. Bei anonymisierten Bewerbungsverfahren scheiden sich allerdings die Geister: Befürworter argumentieren, dass anonyme Verfahren die Chancengleichheit erhöhen und eine bessere Vergleichbarkeit ermöglichen. Kritiker halten dagegen: Diskriminierung werde damit nicht bekämpft, sondern erst später im Bewerbungsprozess, wie beim persönlichen Kennenlernen, wirksam.

Daneben existieren inzwischen zahlreiche Schulungs- und Trainingsprogramme zum Thema Diversity. Darin lernen sich die Teilnehmer zunächst besser kennen und beschäftigen sich mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Außerdem diskutieren sie über Chancen und Risiken von Diversity Management und arbeiten daran, diesen Ansatz passend zur Situation im eigenen Unternehmen einzuführen. In Simulationen und Rollenspielen lassen sich typische Konfliktsituationen in geschütztem Rahmen erproben und lösen.

Diskriminierung vermeiden, Bewusstsein für eigene Vorurteile schaffen

Stereotype, Klischees und Vorurteile stellen Unternehmen immer noch vor große Herausforderungen. Ein konsequentes Diversity Management kann helfen, diskriminierende Personalentscheidungen zu vermeiden – und trägt insgesamt zu größerem Geschäftserfolg bei. Hilfreich sind darüber hinaus Schulungen und Trainings. Sie können durchaus zunehmend ein Bewusstsein dafür schaffen, wie Vorurteile entstehen, wie sie (unbewusst) wirken – und dass niemand gänzlich davon frei ist. Letztlich wird dies Verallgemeinerungen nicht aus der Welt schaffen. Doch das Wissen um die eigenen Überzeugungen kann deren negative Folgen durchaus abmildern.

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