Was versteht man unter Gendern?

Der Begriff Gendern leitet sich vom englischen Wort „gender“ ab, das sich mit „Geschlecht“ übersetzen lässt. Gemeint ist allerdings nicht das biologische, sondern das soziale Geschlecht, also die von der Gesellschaft beeinflussten Rollenverständnisse für Frauen und Männer. Wer sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt, definiert sich als genderqueer oder nicht-binär.

In unserem täglichen Sprachgebrauch kommt das soziale Geschlecht häufig zum Ausdruck. So sagen viele Menschen beispielsweise, dass sie „einen Termin beim Arzt“ haben, selbst wenn sie zu einer Ärztin gehen. Andere Berufe, wie zum Beispiel der Beruf der Kosmetikerin, werden als „typisch weiblich“ angesehen.

Ob in der deutschen Sprache oder in anderen Sprachen: Gendern soll zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft führen, in der sich niemand ausgeschlossen fühlt und alle die gleichen Chancen haben. Denn der Sprachgebrauch kann einen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen denken und fühlen, wie sie andere wahrnehmen und selbst wahrgenommen werden.

Welche Formen des Genderns gibt es im Deutschen?

In Deutschland und in vielen anderen Ländern liegt der Ursprung des Genderns bereits in den 1960er und 1970er Jahren. Eine wichtige Rolle spielen dabei vor allem Anredeformen und Berufsbezeichnungen. Hier ein kurzer Überblick über Lösungen, die sich in Deutschland für das Gendern etabliert haben:

1. Neutrale Formulierungen

Aus Studenten werden Studierende, aus Pflegern wird das Pflegepersonal und Kollegen sind nun das Kollegium: Neutrale Formen haben den Vorteil, dass alle gemeint sind, sie besonders platzsparend sind und den Lesefluss nicht stören. Außerdem sind sie barrierefrei. Das Vorlesen mit dem Screen-Reader, das zum Beispiel Menschen mit einer Sehbehinderung zum Lesen nutzen, stellt kein Problem dar.

2. Paarformen

Bei der Paarform werden sowohl die männliche als auch die weibliche Form genannt, zum Beispiel „Lehrerinnen und Lehrer“ oder „der Verkäufer und die Verkäuferin“. Der Nachteil dieser Form des Genderns ist, dass nicht-binäre Menschen hier nicht genannt werden.

3. Gendern mit Sonderzeichen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Sonderzeichen zu gendern. Besonders beliebt sind Doppelpunkte (ein:e Verkäufer:in) und das Gendersternchen (ein*e Politiker*in). Auch Unterstriche (ein_e Radfahrer_in), Schrägstriche (der/die Bewerber/in) und viele andere Zeichen können genutzt werden.

Der Nachteil: Sonderzeichen können bei der Nutzung von Screen-Readern den Lesefluss stören, sodass es mitunter zu Missverständnissen für beeinträchtigte Personen kommen kann. Auch für Menschen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche oder weitsichtige Menschen kann das Gendern mit Sonderzeichen schnell zur Hürde werden.

Gendersprache in anderen Ländern

Ob Gendern auf Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch: Die Lösungsmöglichkeiten sind vielfältig und von Land zu Land durchaus verschieden.

Das Gendern in anderen Sprachen und Ländern ist häufig eng mit sprachlichen Strukturen verbunden. Der „Language Index of Grammatical Gender Dimensions“ unterscheidet fünf Stufen, in die sich alle Sprachen einteilen lassen. An einem Ende stehen solche, in denen es gar keine Geschlechtsmarkierung gibt. Dazu zählen zum Beispiel Estnisch, Finnisch, Türkisch oder Ungarisch sowie einige asiatische Sprachen. Die meisten auf Menschen bezogenen Substantive und die Personalpronomen sind nicht geschlechtsspezifisch. Es wird also sprachlich weder ein Unterschied zwischen dem männlichen „Er“ und dem weiblichen „Sie“ gemacht noch zwischen Berufsbezeichnungen wie „der Wissenschaftler“ und „die Wissenschaftlerin“.

Während Gendern in manchen Sprachen also automatisch geschieht, stehen andere Länder vor ähnlichen oder noch größeren Herausforderungen als Deutschland. Laut des Language Index haben Sprachen wie Deutsch und die romanischen Sprachen eine besonders starke Geschlechtsverankerung. Französisch, Italienisch und Spanisch sind sogar noch gender-intensiver als die deutsche Sprache.

Aber es sind nicht nur sprachliche Feinheiten, die beim Gendern im Ausland eine wichtige Rolle spielen: Auch politische Gegebenheiten haben einen sehr großen Einfluss auf die Fragen, ob und wie die Sprache gendergerecht angepasst wird.

Gendern auf Englisch

Ob Mann, Frau oder nicht-binär: In der englischen Sprache werden alle Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger als „nurse“ bezeichnet und alle Pilotinnen und Piloten als „pilot“. Obwohl Gendern auf Englisch also wesentlich einfacher ist als im Deutschen, bedeutet das nicht, dass die Sprache immer automatisch geschlechtergerecht ist. So ist es zum Beispiel immer noch in vielen Köpfen verankert, Wörter wie „fireman“ oder „policeman“ zu verwenden. Geschlechtergerechte Alternativen sind „firefighter“ und „police officer“. Auch die Bezeichnung der Menschheit als „mankind“ ist nicht genderneutral: Besser ist hier die Nutzung des Wortes „humankind“. Es gibt auch einige Begriffe, die bereits zwischen Frau und Mann unterschieden – wie beispielsweise „landlady“ für Vermieterin und „landlord“ für Vermieter.

Im Business-Kontext besonders wichtig: Anstatt der veralteten Form „chairman“ für den oder die Vorsitzende verwendet man heute die Wörter „chair“ oder „chairperson“.

Weitere Stolpersteine für das korrekte Gendern auf Englisch sind persönliche Anredeformen. Während früher zwischen unverheirateten Frauen („Miss“) und verheirateten Frauen („Mrs.“) unterschieden wurde, wird heute häufig die neutrale Form „Ms.“ verwendet. Um geschlechtsspezifische Anrede ganz zu vermeiden und auch nicht-binäre Menschen anzusprechen, werden zunehmend auch Ausdrücke wie „Mx“ anstelle von „Mr“ oder „Ms“ genutzt. Außerdem gibt es verschiedene nicht-binäre Pronomen wie zum Beispiel „they“ für eine genderneutrale Ansprache.

Ein Beispiel: Mit der Frage „How are they?“ können Sie nach dem Befinden einer Person fragen, ohne das Geschlecht zu benennen. Ob Anrede von Frauen oder nicht-binären Menschen: Um sicherzugehen, welche Pronomen und Anspracheformen erwünscht sind, sollten Sie immer zuerst nachfragen, bevor sie die Person direkt ansprechen.

Gendern auf Spanisch

Im Gegensatz zur deutschen Sprache kennt man im spanischen Sprachgebrauch nur zwei Artikel: „la“ (die) und „el“ (der). Viele maskuline Substantive und damit auch Personenbezeichnungen enden auf „o“, zum Beispiel „el ministro“ (der Minister) oder „el ingeniero“ (der Ingenieur). Die weiblichen Entsprechungen enden dann meist auf „a“: „la ministra“ und „la ingeniera“. Es gibt aber auch neutrale Berufsbezeichnungen, bei denen sich nur der vorangestellte Artikel ändert, zum Beispiel „el/la cantante“ (der Sänger/die Sängerin), „el/la terapeuta“ (der Therapeut/die Therapeutin).

Für das Gendern auf Spanisch ist die korrekte Verwendung besonders bei ursprünglich traditionell von Männern besetzten Berufen relevant. Denn für viele Jobs, zu denen Frauen nicht immer Zugang hatten, gab es früher nur männliche Bezeichnungen, zum Beispiel „el científico“ (der Wissenschaftler) oder „el presidente“ (der Präsident). Lösungsvorschläge wie „la mujer científico“ (der weibliche Wissenschaftler) gelten als veraltet und diskriminierend. Stattdessen wurden die Endungen mittlerweile angeglichen: „la científica“ oder „la presidenta“.

Und die korrekte Anrede von gemischten Gruppen? Für das Gendern auf Spanisch gibt es mittlerweile ähnliche Möglichkeiten wie beim Gendern auf Deutsch. Eine Möglichkeit bieten Doppelnennungen wie zum Beispiel „los biólogos y las biólogas“ (die Biologen und Biologinnen) oder „los y las estudiantes“ (die Studenten und Studentinnen).

Als Sonderzeichen bietet sich zum Beispiel das @-Zeichen an: Das Wort „ministr@s“ entspricht dem deutschen „Minister und Ministerinnen“. Das Sonderzeichen wurde gewählt, da es wie eine Verbindung der Buchstaben „o“ und „a“ aussieht und damit männliche und weibliche Personen anspricht. Um auch nicht-binäre Menschen mit einzuschließen werden beim Gendern auf Spanisch alternativ die Buchstaben „x“ oder „e“ genutzt – zum Beispiel „amigxs“ oder „amiges“ (Freunde und Freundinnen).

Für das Gendern auf Spanisch bieten sich außerdem neutrale Bezeichnungen an. Hier zwei Beispiele: Statt „doctores y enfermeras“ (Ärzte und Pflegerinnen) können Sie „el personal sanitario“ (das Gesundheitspersonal) sagen und statt „el desempleo entre los jovenes“ (die Jugendarbeitslosigkeit) besser „el desempleo juvenil“ anwenden.

Gendern auf Französisch

Während das Gendern in vielen anderen Ländern auch Einzug in die Sprache des öffentlichen Lebens gefunden hat, ist es in Frankreich zumindest in bestimmten Bereichen verboten. Zum Beispiel an den Schulen im Jahr 2021: Der französische Bildungsminister hat die Verwendung der sogenannten „écriture inclusive“ (inklusive Schreibweise) mit der Begründung abgelehnt, sie sei zu kompliziert und behindere das Lernen der Schülerinnen und Schüler.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass Gendern nicht auch in Frankreich in vielen Bereichen auf dem Vormarsch ist. Es ist jedoch oftmals etwas komplizierter als im Deutschen. Neben Substantiven müssen im Französischen nämlich auch viele Verben und Adjektive angepasst werden. Außerdem kann man die weiblichen Endungen von Substantiven nicht einfach anhängen, wie es im Deutschen häufig möglich ist. Um alle Geschlechter deutlich zu machen, wird ein „Mittelpunkt“ (·) gesetzt. Hier ein paar Beispiele:

  • „Mes ami·e·s“ (meine Freund:innen): Kombiniert die Wörter „amis“ (Freunde) und „amies“ (Freundinnen).
  • „Électeur·rice·s“ (Wähler:innen): Ist die Zusammensetzung von „électeurs“ (Wähler) und „électrices“ (Wählerinnen).
  • „Les chanteur·euse·s se sont prepare·e·s“: Bedeutet übersetzt „die Sänger*innen haben sich vorbereitet“.

Außerdem relevant: Ähnlich wie beim Gendern auf Englisch wird auch in Frankreich immer weniger das Wort „homme“ („Mann“) verwendet, wenn damit der Mensch als solcher gemeint ist. Aus dem Wort „droits de l'homme“ (Menschenrechte) wird zum Beispiel „droits humains“.

Und auch in Frankreich gibt es neue, nicht-binäre Pronomen, zum Beispiel das Wort „iel“, eine Zusammensetzung aus „il“ (Er) und „elle” (Sie).

Gendern auf Italienisch

In Italien wird das Thema weniger stark thematisiert als in Deutschland. Anders sieht es im italienischsprachigen Teil der Schweiz aus: Hier wird die Diskussion um eine geschlechtergerechte Sprache stärker vorangetrieben als im Nachbarland Italien.

Dabei geht es, ähnlich wie beim Gendern in vielen anderen Sprachen, vorrangig um männliche und weibliche Berufsbezeichnungen. Für viele Berufe gibt es im Italienischen eine männliche und eine weibliche Form, zum Beispiel „il cuoco“ (der Koch) und „la cuoca“ (die Köchin) oder „il dottore“ (der Arzt) und „la dottoressa“ (die Ärztin). Ähnlich wie im spanischsprachigen Raum gibt es für viele traditionell von Männern besetzten Berufen nur eine maskuline Form. Zum Teil wird diese in Italien auch für Frauen verwendet. Ein Beispiel ist die Bezeichnung „il giudice donna“, was sich mit „der weibliche Richter“ übersetzen lässt. Aber neue, weibliche Berufsbezeichnungen setzen sich immer mehr durch – in diesem Fall „la guidice“ für „die Richterin“. Bei anderen, traditionell männlichen besetzten Berufen wird heutzutage häufig eine weibliche Endung angehängt. Aus „avvocato“ (Anwalt) wird zum Beispiel „avvocata“ oder „avvocatessa“.

Auch die Pluralformen haben auf Italienisch eine männliche und eine weibliche Endung. Viele Menschen nutzen häufig einfach das generische Maskulinum. Alternativ besteht die Möglichkeit einer Verdoppelung, zum Beispiel: „collaboratori/collaboratrici“ (Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen).

Eine weitere Lösungsmöglichkeit, die auch nicht-binäre Menschen einschließt, ist die Verwendung der Endung „ə“. Das umgekehrte „e“ nennt sich „schwa“ und wird wie ein kurzes „ä“ ausgesprochen. Wörter wie „professorə“ entsprechen dem Deutschen „Professor:in“.

Sprachliche Herausforderungen beim Gendern auf Italienisch lassen sich auch durch Umformulierungen geschickt umschiffen, zum Beispiel die Begrüßung mit „Benvenuto“ (Herzlich willkommen). Dieses ändert seine Endung, je nachdem ob eine Frau („Benvenuta!“) oder ein Mann („Benvenuto!“) begrüßt wird. Eine neutrale Alternative ist der Satz „Ti diamo il benvenuto“ (Wir heißen dich willkommen), mit dem eine Person beliebigen Geschlechts begrüßt werden kann.

Fazit:

Ähnlich wie im Deutschen spielt das Gendern in vielen anderen Sprachen eine immer wichtigere Rolle im privaten und beruflichen Alltag. Wie sich die Gendersprache in anderen Ländern in Zukunft entwickelt, bleibt abzuwarten. Mit unseren Sprachkursen für Erwachsene, zum Beispiel in Spanisch, Italienisch und vielen weiteren Sprachen, bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand und sind über aktuelle Änderungen bestens informiert – für eine gelungene und inklusive Kommunikation mit Fremdsprachlern in Gesprächssituationen.

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